Prix Kunstverein 2017

Jerry Haenggli (*1970)

Seit 2002 vergibt der Kunstverein Biel den Prix Kunstverein an regionale Kunstschaffende. Dieser Förderpreis hat zum Ziel, eine originelle, eigenständige und vielversprechende künstlerische Position zu ehren. Die Wahl der Jury ging dieses Jahr nicht an einen Newcomer, sondern an eine in der Bieler Kunstszene schon bekannte Figur: Jerry Haenggli. Seine neusten Arbeiten zeugen in der Tat von einer markanten Entwicklung, die aus der Sicht des Kunstvereins Biel die volle Aufmerksamkeit des Publikums verdient. Eine Auswahl an Werken wird im Rahmen der Cantonale Berne Jura im Kunsthaus gezeigt.

Die Fotografie wurde lange Zeit als das Medium der Objektivität schlechthin gepriesen, da im Stande, die Realität auf genauste und unparteiische Weise einzufangen. Obschon Jerry Haengglis Kompositionen von Fotografien ausgehen, zeugen sie von einer expressiven Kraft, was ihnen etwas sehr Emotionelles und Persönliches verleiht. Der Künstler lässt sich von Bildern inspirieren, die er in verschiedensten Archiven findet und interpretiert diese auf eine Weise neu, die den Betrachter in Bann zieht und sein Vorstellungsvermögen herausfordert.

Jerry Haenggli hat eine sehr eigene Bildsprache entwickelt, deren stilistische Reife die Jury des Prix Kunstvereins beeindruckt hat. Er bedient sich einer bescheidenen Farbpalette, die sich auf Weiss, Schwarz und Sepia beschränkt. Er schafft vielfältige Effekte, indem er mal flüssige Tusche verwendet, mal soliden Kohlenstift. Seine Werke sind zwar figurativ, nähern sich aber eben durch diese pikturalen Elemente der abstrakten Kunst. Subtil thematisieren die Bilder verschiedene Aspekte unserer Gesellschaft wie Machtverhältnisse, Konventionen und Hierarchien. Gewisse Zeichnungen bergen auch eine unterschwellige Brutalität, die ein mulmiges Gefühl beim Betrachter hervorrufen.

In seinen teils sehr dichten Kompositionen interessiert sich Jerry Haenggli speziell auch für Leerräume. Was geschieht zum Beispiel, wenn die Gesichter der Protagonisten in einem Gruppenporträt ausradiert werden? Mit diesem Akt befragt der Künstler die Uniformität unserer Gesellschaft und den Raum, der bleibt für Individualismus. Beim Gemälde auf Leinwand, das einen jungen Mann zeigt, verschleiert er dessen Gesicht mit weisser Farbe. Dieser ikonoklastische Schritt erinnert unter anderem an die Entstellung von Andachtsbildern im Mittelalter. Dadurch regt uns Jerry Haenggli zum Nachdenken an über den Kultstatus, den wir heute nicht Heiligen, sondern dem Individuum zusprechen.